| Frankfurt/Main (dpa)- Zwei tiefe Schnitte und der Junge war von seinen Schmerzen befreit. Der Frankfurter Jesuitenpater Bernhard Ehlen erinnert sich noch gut an den Kleinen im Flüchtlingslager in Somalia, dem ein vereiterter Abszess im Oberschenkel Höllenqualen bereitete. Wie ein «Häufchen Elend» habe er in der Ecke gesessen, erzählt der Gründer der Hilfsorganisation «Ärzte für die Dritte Welt», die in diesem Monat ihr 20-jähriges Bestehen feiert. Ein Arzt, der gerade aus Deutschland eingetroffen war, machte damals den entscheidenden Schnitt, und schon wenige Tage später konnte das Kind wieder vergnügt herumspringen.
Ihm sei in dem Moment klar geworden, sagt Ehlen: «Als Arzt kann man auf sehr einfache und schnelle Weise helfen». Deshalb gründete er am 10. September 1983 in Darmstadt «Ärzte für die Dritte Welt». Mit Unterstützung von zehn Ärzten und mit Hilfe einer «kleinen Erbschaft» baute der Jesuitenpater zunächst zwei Projekte in Kalkutta und in Manila auf den Philippinen auf.
Inzwischen unterstützt die Hilfsorganisation, die sich hauptsächlich aus Spenden finanziert (2002: 4,3 Millionen Euro) acht Projekte auf den Philippinen, in Indien, Bangladesch, Kenia und Venezuela. Mehr als 250 Ärzte aus Deutschland und dem näheren europäischen Ausland nehmen jedes Jahr an einem mindestens sechswöchigen Einsatz teil. Ein großer Teil opfert dafür seinen Jahresurlaub. Nur etwa zehn Prozent der Ärzte sind im Ruhestand.
Werner Schraa zum Beispiel. Er war seit seiner Pensionierung vor fünf Jahren schon sieben Mal im Auftrag des Komitees «Ärzte für die Dritte Welt» unterwegs. «So etwas hat mir schon immer im Kopf herumgespukt», erzählt der Chirurg aus Wesel am Niederrhein. Sein letzter Einsatz war vor zweieinhalb Monaten in den Slums von Kalkutta. Bei mehr als 40 Grad und einer «enorm hohen» Luftfeuchtigkeit musste er 80 bis 100 Patienten am Tag versorgen. Acht Kilo hat er dabei abgenommen.
Die «entsetzliche Armut», der Dreck und Lärm - daran habe er sich erst gewöhnen müssen, sagt Schraa, nicht zu vergessen der Smog, der Halsschmerzen und Husten verursache und gelegentlich mit Antibiotika bekämpft werden müsse. Der 69-Jährige nimmt die Strapazen gern in Kauf. «Man kann etwas tun.» Und er verhehlt nicht, «dass auch eine gewisse Portion Abenteuerlust mit reinspielt».
Tuberkulose, Durchfall, Hautinfektionen, Aids und Malaria - das sind die Krankheiten mit denen Einheimische zu den «German Doctors» kommen. Schraa nennt seine Arbeit «Armenmedizin». Menschen werden krank, weil sie nicht genug zu essen oder kein sauberes Trinkwasser haben und unter schlechtesten hygienischen Verhältnissen leben.
Klaus Biskamp ist gerade aus Caracas (Venezuela) zurückgekehrt. Für den Frankfurter Internisten, der erst seit einem Jahr im Ruhestand ist, war es bereits der 15. Einsatz. Er ziehe aus der Arbeit Kraft und Freude, erzählt der 65-Jährige. Viele Jahresurlaube hat er während seiner Berufstätigkeit für die Arbeit im Ausland geopfert. Südamerika ist sein bevorzugtes Einsatzgebiet auch wenn es nicht ganz ungefährlich ist. Beim jüngsten Aufenthalt gab es in unmittelbarer Nachbarschaft einen Mord. Er selbst sei mit einer Pistole bedroht worden. In Südamerika sei die Not nicht so groß wie in Asien. «Armut ist relativ», sagt er. «Für einen Slumbewohner aus Kalkutta ist ein armer Mensch aus Caracas sehr reich.»
Pater Ehlen bereist die Stationen regelmäßig, um Kontakt zu Ärzten, Hilfspersonal und den Entscheidern im Land zu halten. Er muss dafür sorgen, dass die Versorgung mit Ärzten und Medikamenten nicht abreißt. Er kümmert sich um Personal- ebenso wie um Grundstücksangelegenheiten und schlägt stetig die Spendentrommel. Die Ärzte helfen ihm dabei. Nicht selten kommt es vor, dass einer statt der Geburtstagsgeschenke Spenden entgegennimmt.
Mit Stolz verweist der Jesuitenpater auf die geringen Verwaltungskosten der Organisation. Sie bewegten sich bei sechs Prozent. «Wir können mit gutem Gewissen sagen, dass unsere Spenden ohne Abstriche ankommen», sagt Ehlen. Allerdings arbeite die Verwaltung an der «Grenze des Machbaren». Von daher sei nicht geplant, weitere Stationen zu gründen.
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