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Genf (KNA) Der neue Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Genf, der Methodistenpfarrer Samuel Kobia (56) aus Kenia, tritt im Januar 2004 die Nachfolge des deutschen Theologieprofessors Konrad Raiser an, der Ende des Jahres nach elfjähriger Amtszeit in den Ruhestand geht.
Kobia promovierte am St. Paul's College in Kenia und hat Diplome des McCormick Theological Seminary sowie des Massachusetts Institute of Technology in den USA. Er arbeitete sowohl im ÖRK in Genf als auch im Nationalen Kirchenrat in Kenia, den er als Generalsekretär von 1987-1993 leitete. Danach übernahm er in Genf die Programmeinheit «Gerechtigkeit, Frieden, Schöpfung». Unter seinen vielen sozialen, politischen und ökumenischen Engagements half Kobia nach der Unabhängigkeit (1980-81) bei der Umstrukturierung des christlichen Rats in Simbabwe, war u.a. Vizedirektor der ÖRK-Kommission für das Programm zur Bekämpfung des Rassismus (1982-1991) und führte 1991 den Vorsitz bei den Friedensgesprächen für den Sudan. Er hat zwei Bücher über Afrika geschrieben (The Quest for Democracy in Africa, 1992; The Courage to Hope, erscheint demnähst).
Kobia begründete in einem Interview seine Wahl als Afrikaner mit der zunehmenden Anerkennung, dass Afrikaner einen bedeutenden Beitrag erbringen können, sowohl an der Spitze der UNO (Kofi Annan), wie auch beim Lutherischen Weltbund (Ishmael Noko) und dem Reformierten Weltbund (Setri Nyomi). Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang die promovierte Kenianerin Musimbi Kanyoro. Sie steht als Generalsekretärin an der Spitze des Weltverbandes der Vereinigung Junger christlicher Frauen (WorldYWCA), der ältesten ökumenischen Organisation, mit Sitz in Genf.
Die Kirchen in Afrika verzeichnen das größte Wachstum. Die Spiritualität der afrikanischen Christen ist einzigartig, betonte Kobia, denn die AfrikanerInnen haben die Fähigkeit, Freude am Leben zu haben inmitten des Todes und hoffen in Situationen, die hoffnungslos erscheinen. Ein Beispiel dafür sei der Umgang mit Aids.
In seiner ersten Ansprache zitierte Kobia ein afrikanisches Sprichwort: Wenn du schnell gehen willst, dann geh alleine. Wenn du aber weit gehen willst, dann geh mit andern zusammen. Der Ökumenische Rat der Kirchen ist vor allem eine Gemeinschaft von Kirchen. Seine wesentliche Aufgabe besteht darin, einander gegenseitig zu sichtbarer Einheit im Glauben zu ermutigen. Die Ökumene braucht eine neue Vision. Die Neugestaltung der ökumenischen Bewegung liegt nun in den Händen von Kobia, der den von Raiser ausgelösten Prozess weiterführen wird und spirituelle Werte vor ökonomische Zwänge setzt. Das konfessionelle Ökumene-Modell soll zu einem konziliaren Modell erweitert werden. Das bedeutet, dass auch andere Träger der ökumenischen Bewegung, die nicht Mitglieder des Rates sind, ins Gespräch mit einbezogen werden. Eine mögliche Form dafür ist ein «Globales Christliches Forum». Solche Träger sind z.B. Entwicklungsdienste und Missionsgesellschaften, sowie Pfingstkirchen und evangelikale Bewegungen nebst unabhängigen Gemeinschaften. Gleichzeitig wird die römisch-katholische Kirche mit einbezogen.
Als seinen ersten Schwerpunkt nannte Kobia das interreligiöse Gespräch, das nach allen Seiten mit den unterschiedlichsten Religionen, geführt werden wird. Zu fragen wird sein, wie können Religionen zum Aufbau von Toleranz, zur Bildung von Frieden, zu Versöhnung und Heilung gebrochener Beziehungen unter den Menschen beitragen? Als konkretes Beispiel hat der Zentralausschuss einen Beschluss gefasst, die Kirchen im Irak in ihrem Engagement zum Wiederaufbau der Gesellschaft und in ihrer Friedensarbeit zu unterstützen. Angesichts des Leidens der Zivilbevölkerung im Irak wird die interreligiöse Zusammenarbeit gefördert als Beitrag zu vermehrter Sicherheit und zur Friedensbildung. Der Zentralausschuss wertete den Krieg gegen den Irak als schweren Verstoß gegen das Völkerrecht. In einer Erklärung wurde der Aufbau einer Übergangsverwaltung unter Leitung der Vereinten Nationen' verbunden mit dem unverzüglichen und geordneten Abzug der Besatzungstruppen verlangt. Im kommenden Jahr bilden die Vereinigten Staaten von Amerika den Schwerpunkt der vom ÖRK ausgerufenen weltweiten Dekade zur Überwindung der Gewalt (2001-2010). Die Kirchen des Landes seien besonders gefordert, sich mit den vielfältigen Formen von Gewalt auseinanderzusetzen, heißt es im entsprechenden Beschluss. Der ÖRK möge sie ermutigen, sich für Gerechtigkeit und Frieden einzusetzen und den Begriff der «Einen Welt» in den Vordergrund zu rücken.
Der neuen Generalsekretär tritt ein weiteres Erbe an: Raiser hatte sich in einer deutlich verschlechternden Finanzlage des ÖRK für Umstrukturierungen eingesetzt. In den letzten Jahren sind im Mitarbeiterstab in Genf 150 Stellen von 300 weggekürzt worden. Die Mitgliederbeiträge einzelner Kirchen lassen noch auf sich warten. Die Bereitschaft der Mitgliedskirchen, Beiträge an den ÖRK zu überweisen, ist gestiegen. 66 Prozent zahlten im vergangenen Jahr Beiträge, im Vergleich zu 53 Prozent im Jahr zuvor. Der ÖRK hofft, bis 2005 von sämtlichen Mitgliedskirchen Beiträge zu erhalten und die Einnahmen in diesem Bereich von sechs Millionen auf zehn Millionen CHF zu steigern. Neu werden nun nichtzahlende Mitgliedskirchen von der Teilnahme suspendiert. Der jährliche Mindest-Mitgliedsbeitrag ist von SFR. 1000.- auf USD 1000.- erhöht worden, was allerdings einigen indigenen Kirchen in Afrika große Probleme bereiten wird.
Die Zahl der Kirchen, die Vollmitglieder sind im ÖRK, bleibt bei 342. Während sich die bislang getrennt geführte Brüder-Unität in Amerika (Nördliche Provinz) und ihre Schwesterkirche in der südlichen Provinz auf eine künftige gemeinsame Mitgliedschaft einigten, stimmte der ÖRK dem Antrag der Eritreisch Orthodoxen Kirche Tewahedo auf einen eigenen Vollmitglieds-Status zu. Die Kirche war bisher durch die Äthiopische Orthodoxe Kirche vertreten.
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