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 Anschlag in Kenia 28.11.2002 (09:56 Uhr) Charmy
 Re: Anschlag in Kenia 28.11.2002 (11:04 Uhr) agakan1
 Re: Anschlag in Kenia 28.11.2002 (11:17 Uhr) Iris
 Re: Anschlag in Kenia 28.11.2002 (12:42 Uhr) agakan1
 Re: Anschlag in Kenia 06.12.2002 (17:26 Uhr) CrazyTwins
Hier ein Bericht von Wolfgang, Mitglied im Verein "Don`t just say it, do it." Zur Homepage
}) zum Anschlag in Kenia:
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Seit über 20 Jahren besuche ich zusammen mit meiner Frau Kenia.
Zunächst immer nur 2-3 Wochen lang, mehr Zeit stand mir wegen meiner ärztlichen Tätigkeit in Westerland (1973-2000) nicht zur Verfügung.
Seit 2 Jahren verbringe ich jedoch die "bösen" feucht-kalten Wintermonate im tropischen Kenia, mal an der Küste, mal auf Safaris im Landesinneren und ein kleiner eigener Geländewagen bringt uns überall hin.
Zur Zeit wohnen wir 2 Kilometer nördlich der Stelle, an der in den Morgenstunden des 28.11.02 der Terroranschlag in Kikambala stattfand

Ein lauter Knall schreckte uns morgens gegen halb neun hiesiger Zeit auf. Es hörte sich an, als sei soeben ein Überschallflugzeug durch die Schallmauer gegangen.
Der Knall kam von Süden. Er war sehr heftig, wir zuckten zusammen.
Es geschah während unseres Früstücks, das wir auf der Terrasse mit freiem Blick auf den blauen Indischen Ozean einnahmen.  Wir hatten  frische tropische Obstsorten und Yoghurt auf dem Teller, aßen und planten den Tag.
Fünf Minuten nach dem Knall vernahmen wir das Gebrumm eines Fliegers aus ebenfalls südlicher Richtung. Zunächst dachten wir, es wäre eine der deutschen Maschinen, die seit Monaten auf dem Flughafen von Mombasa stationiert sind, und tagtäglich die
Küstenlinie morgens in nördliche Richtung bis vor die Somalische Küste und das Horn von Afrika fliegen, um dort mit "Hightech" die See nach Schmuggelschiffen mit Waffen abszucannen und nachmittags gut sichtbar für uns in vielleicht 100m Flughöhe zurückkehren.
Es war aber keines dieser uns wohlbekannten Flugzeuge, sondern ein kleines gedrungenes mit betont angehobenem Heck, welches alsbald zur offenen See nach Osten abdrehte und verschwand.
Wir beendeten unser Frühstück, ahnten nichts Böses in dem so friedlichen Kenia, und meine Frau machte sich mit unserem Wagen für Besorgungen davon.
Ein uns bekannter indischer Handwerker namens Dinesh Patel stürmte kurz danach ins Haus und berichtete mir,
er habe soeben einen Anruf aus Nairobi erhalten, daß auf das "Mombasa Paradise Hotel", ganz in der Nähe von uns ein Terroranschlag verübt worden sei und dort alles in Flammen stehe. Ich lief auf die Dachterrasse "unseres" Küstenhauses und sah zusammen mit

Handwerkern und Hausangestellten in etwa 2 Kilometer Entfernung an der Küste dichten Rauch aufsteigen.
Meine Frau Urte kam mit unserem Toyota  30 Minuten später zurück. Sie hatte von einem Schweizer, Herrn Fritz Kästli vom Vipingo Estate, auch schon von dem Attentat erfahren. Er wußte es von einem Anruf seiner Frau aus der Schweiz. Es war 11Uhr, ich schaltete die Deutsche Welle zum Hören der Nachrichten ein, und dort bekam ich  in bester Sprachqualität die ersten offiziellen Mitteilungen zu hören.
Ich erfuhr, daß in unserer Nähe nicht nur ein einziger, sondern sogar zwei Anschläge auf Israelis stattgefunden haben. Beim zweiten Anschlag hätten Unbekannte kurz zuvor ein gerade startendes israelisches Charterflugzeug vom Typ Boeing 257 am Moi International Airport in Mombasa mit Raketen beschossen, aber nicht getroffen, und der israelische
Pilot habe den Steigflug nicht abgebrochen, sondern sei weiter auf dem Wege nach Israel.
Meine Frau und ich setzten uns in unseren Geländewagen und fuhren auf der großen Malindi Road Richtung Rauchwolke. Unterwegs fuhren wir bei einer TOTAL
Tankstelle vor, weil wir Diesel brauchten. Die kenianische Besitzerin zeigte auf dichten Rauch querab hinter  Palmen. Sie war noch geschockt vom lauten
Explosionsknall, denn von hier aus betrug die Entfernung zum "Paradise Hotel"  kaum einen Kilometer.
Sie wies uns einen Schleichweg durch den Busch, den unser Wagen als Allradfahrzeug sicherlich bewältigen könne. Auf der Hauptstraße sollten wir lieber nicht fahren, die sei vermutlich abgesperrt; man würde uns nicht passieren lassen.
Wir nahmen gleich hinter einer Moschee den Weg durch Busch und Schlamm, an Hütten vorbei, durch Tiefsand und über kleinere Felsen, bis wir plötzlich einen Hubschrauber mit Kenianischen Landesfarben über uns stehen sahen. Wir schienen ihm verdächtig, er kam
tiefer und wir stoppten in flachem Buschland. Ich öffnete meine Wagentür, schaute heraus, und als er durch sein Fernglas sah, daß ich weiße Hautfarbe hatte, stufte er mich als  "unverdächtig" ein und drehte ab. Dann stieg der Pfad steil an, wir sahen Unmegen von Menschen und viele Autos, so daß ich nicht weiterfahren konnte, sondern unseren Wagen in den Busch fuhr und abstellte.

Wir stiegen aus. Meine Digitalkamera mit langem Objektiv nahm ich mit, und wir betraten den  holperigen Zufahrtsweg zum Paradise Hotel, welches im Busch versteckt und weitab von anderen Hotelanlagen und Häusern lag. Rechts und links drängten sich Kenyaner, die aus Neugierde aus ihren Hütten und einige auch aus der Stadt zu Fuß oder per Rad oder
Matatu hergekommen waren. Alle blickten in Richtung der noch rauchenden Hotelreste in 100m Entfernung. Die Straße selbst war durch einen  roten kenianischen
Feuerwehrwagen mit einem Wasserwerfer auf dem Dach und durch einen großen Touristenbus versperrt, so daß wir zunächst nur wenig sehen konnten. Im Bus saßen völlig
erschöpfte Israelis. Sie waren als Gäste gerade vom Flughafen hergebracht worden, da am heutigen Donnerstag in der Frühe der allwöchentliche Gästwechsel stattfinden sollte. Im Bus befanden sich teilweise Jugendliche, die apathisch wegen der Situation und völlig ermattet wegen der Hitze im Bus  vor sich hinstarrten. Die Außentemperatur betrug
immerhin 31°C, im Wagen ohne Klimaanlage mögen es 20° mehr gewesen sein. Der Bus mußte wenden. Die Insassen sollten in andere Hotels gebracht werden. Das Wendemanöver dauerte  sehr lange, weil der Wegesrand mit Autos verstellt war und nur unter Zuhilfenahme eines ganz schmalen Weges in den Busch hinein nach endlos vielen Manövern der kenianische Bus  endlich davonfahren konnte.

Urte und ich wagten uns jetzt, wo der Weg frei war, zur rauchenden Einfahrt des Hotelgrundstück vor. Das hölzerne Portal mit Schilfdach und der Sicherheitsschranke darunter war völlig zerstört. Das große in Holz geschnitze Schild  >Mombasa Paradise<
hing noch verkohlt in rauchenden Balken. Alles qualmte noch, hier und da züngelten  kleine Flammen.  Auf dem Erdboden verstreut lagen gebrauchte weiße Gummihandschuhe, die mir sagten, daß an dieser Stelle Rettungskräfte  kurz vorher blutende Verletzte versorgt haben mußten.
Viele Kenyaner standen stumm herum und starrten durch  das Portal hindurch auf die Reste des eigentlichen Hotelkomplexes.
Einen gut gekleideten schlanken Kenianer mit versteinertem Gesicht sprachen wir an. Er berichtete, daß er der Manager der Musiker sei, die die neu ankommenden Israelis mit Folklore begrüßen sollten. Diese seien nun alle tot, weil sie sich zum Empfang
der Gäste schon in der Hotelrezeption befunden hätten.

Er berichtete, daß ein Pajero-Geländewagen mit drei Männern darin an der Eingangs-Schranke angehalten habe,  daß aber die drei Wachposten den Wagen nicht
sofort haben hindurch lassen wollen. Der Fahrer ließ keinerlei Kontrolle des Wagens und der Personalien zu, er habe nur gesagt, sie wollten die Israelis begrüßen.
Einer der Männer sei dann aus dem Auto gesprungen, und auf dem Weg zur 50 m entfernten Hotelrezeption habe er sich mit dem um seinen Körper gebundenen Sprengstoff
selbst in die Luft gesprengt. Im gleichen Moment sei dann der mit einer großen Sprengladung bepacke Pajero durch das inzwischen zerstörte Glasportal gesaust und
habe direkt vor dem Rezeptionstresen durch den Riesenspregsatz alles in die Luft gesprengt.
Die drei Attentäter waren sofort tot, auch die neun kenianischen Musiker, einige kenianische Hotelangestellte und drei Israelis, davon zwei Kinder, die in der Rezeption standen.
Das berichtete uns der Manager der Musikgruppe mit steinernem Gesicht.

Als Weißhäutiger mit dicker Kamera ließen mich die kenianischen Polizisten und Soldaten mit aufgepflanzten Gewehren ins Hotelgelände. Ich stieg über umherliegende noch glühende Balken, ging vorbei an zwei ausgekohlten Autowracks und befand mich inmitten einer Schar von Reportern, die  mit Filmkameras, Kassettenrecordern, Laptops und  Schreibblocks ausgerüstet waren. Auch ein deutsches Team vom ARD war dabei mit dem Kameramann Jörg in rotem T-Shirt. Urte und ich wurden vom Team sofort als
Deutsche identifiziert und standen so gegen 13Uhr vor laufender Kamera fünf Minuten Rede und Antwort. Was wir gehört hätten, wo wir hier wohnen würden, ob wir wegen des Anschlags je wieder nach Kenia kommen würden waren die wesentlichsten Fragen. Um 20.00Uhr sollte das Interview in der Tagesschau ausgestrahlt werden, d.h. alle Aufzeichnungen sollten gleich nach Deutschland gehen, und die ARD-Redaktion müsse dann auswählen, was ins Programm käme und was nicht. Ich sagte dem Reporter, daß ich selbstverständlich wieder nach Kenia reisen werde, weil Deutsche  nicht  Zielgruppe  arabischer Fundamentalisten seien und dieser Anschlag ja nun ganz gewiß ein  gezielter
Angriff auf Israelis gewesen sei. Zudem würde ich in einem Privathaus wohnen, mit dem Israelis überhaupt nichts zu tun hätten.
Der Reporter hätte, glaube ich, lieber etwas von "panischer Angst" gehört. Aber es ist nun einmal so, daß ich die von uns gewählte Umgebung in Kenia als absolut sicher einschätze. Als Vorsichtsmaßnahme , auch wegen der bevorstehenden kenianischen Wahlen< vermeide ich jedoch  die Hauptstadt Nairobi (unter Deutschen auch unter dem Namen "Nairobbery" bekannt) und zur Zeit überhaupt große Menschenansammlungen. Denn
politische Auseinandersetzungen, die in Deutschland vor den Wahlen im Bundestag mit scharfer Zunge ausgefochten werden,  können hier in Kenia auch schon mal auf der Straße mit scharfer Klinge erledigt werden. Aber nicht gegen Europäer! Das ist zumindest meine Einschätzung.

Das Hauptgebäude des Hotelkomplexes, in dem sich auch die Rezeption befunden hatte, war platt. Die Betondecke war heruntergefallen und hatte alles, auch den Bombenpajero, unter sich begraben. Die dahinter liegenden zwei- bis dreistöckigen weich eingedeckt
gewesenen Gebäude mit den Appartements und Hotelzimmern qualmten noch; alles war ausgebrannt.
Auch alle Restaurants, die aus langem Holz des Cassaurinabaums errichtet  und mit Makuti eingedeckt gewesen waren, bestanden nicht mehr. Alles, wirklich alles in dem riesigen und weitläufigen Hotelareal  war bis auf die steinernen Außenwände niedergebrannt.
Das Feuer in den hinteren Hotelbereichen soll angeblich zeitgleich mit der Autobombe durch ein Kleinflugzeug verursacht worden sein, aus dem Pakete auf die brennbaren Hoteldächer abgeworfen wurden, welche den Rest des Hotels durch Feuer vernichten sollten mitsamt den Israelis in den Zimmern.......
Daß alles doch nicht ganz so schlimm ausging, hängt damit zusammen, daß noch nicht alle Gäste vom Flughafen im Hotel eingetroffen waren. Gottlob.

Nachtrag vom 3.12.02
Heute lesen wir in der NATION, einer kenyanischen Tageszeitung, daß verschiedenen Geheimdiensten und den kenyanischen Behörden seit acht Monaten bekannt war,
daß ein Terroranschlag in Kenya in Vorbereitung war. Auch sollen von den drei irakischen Attentätern  Namen, Gebrtsdaten und Paßnummern bekannt gewesen sein. Wie diese Leute trotzdem, vermutlich über Somalia, einreisen konnten und dann noch mit Raketen
im Gepäck, die angeblich in Somalia für 100 Dollar pro Stück zu kaufen sind, ist den kenianischen Behörden unerklärlich.
Es wird doch wohl kein Zöllner Schmiergeld für's Zurücken beider Augen angenommen haben?

Wolfgang von Reusner, Vipingo, Kenia
November 2002

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Gruß
Christine

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