| | Liebe Leute, hier noch ein Bericht, der über DPA kam:
Sektenboom in Kenia - Das Geschäft wächst mit dem Elend Von Antje Passenheim, dpa =
Nairobi (dpa) - Als die Gläubigen mit Macheten in der kenianischen Hauptstadt Nairobi aufmarschieren, flüchten vor allem Frauen. «Sie kommen, um Frauen in Hosen und kurzen Röcken zu fangen und gewaltsam zu beschneiden», weiß eine Kenianerin. Denn die mit Lendenschurz und Dreadlocks wild anmutenden Jünger der Mungiki-Sekte fordern die Verbannung westlicher Einflüsse und die Rückkehr zu afrikanischen Traditionen. Notfalls mit Gewalt.
Die Mungikis sind nur eine von Hunderten zwielichtiger Sekten, die in dem ostafrikanischen Land immer mehr Gewinn mit dem zunehmenden Elend machen. Aber auch die Regierung, sagen Kritiker, profitiert vom Geschäft mit der Hoffnung.
«Je größer die Hoffnungslosigkeit in diesem Lande wird, desto mehr Menschen strömen in die Arme von Kulten und Sekten», sagt Augusta Muthigani vom Katholischen Sekretariat in Nairobi. Mit Sorge sieht sie, wie die Scharen derer immer größer werden, die sich jedes Wochenende singend und klatschend in bunten Uniformen unter Bäumen oder in provisorischen Kirchen um Wunderprediger versammeln.
«Bis zu 700 Religionsgemeinschaften», schätzt Muthigani, «buhlen in Kenia um die Anhänger der katholischen, anglikanischen und presbyterianischen Kirchen. Und das mit steigendem Erfolg.» Im Gegensatz zu den verhaltenen Gottesdiensten der großen Kirchen kommen die anderen oft der Sehnsucht nach längst verblassten traditionellen Riten und Festen nach. Sie zelebrieren ihren Glauben laut singend oder vollbringen angebliche Wunder.
«Damit nähren sie das Bedürfnis der Armen danach, durch Attraktion und eine saubere schöne Uniform für Stunden aus ihrem grauen Elend gerissen zu werden», sagt ein anglikanischer Priester. Anders als in einer der großen Kirchen könne dort zudem jeder «im Handumdrehen» zum Priester oder gar Bischof aufsteigen.
«Im Gegensatz zu uns, deren Lehre oft erst interpretiert werden muss, sprechen diese Prediger ihre Nöte direkt an», erklärt auch Sektenexpertin Muthigani. «Wie bekomme ich mein Essen oder das Geld für die Schulgebühr meiner Kinder? Wer finanziert mir den Arztbesuch?» Die Antwort laufe immer auf denselben Schwindel hinaus: «Gib deinem Sektenführer, dann wird dir hundertfach zurückgegeben.»
Davon ist auch die freikirchliche Predigerin überzeugt, die sonntags zur wichtigsten Sendezeit im staatlichen Rundfunk zu ihren Anhängern spricht. «Ich gab alles, was ich hatte, meinem Gott, und als ich in meine Hütte kam, fand ich dort das Geld für die Ausbildung meiner drei Kinder», frohlockt sie.
Kritiker fragen, wie ein staatlicher Sender derartiges Werben dulden kann. Die Antwort, meint nicht nur Muthigani, liegt auf der Hand. «Der Staat unterstützt die jungen Kirchen, denn sie schwächen die traditionellen Kirchen in Kenia, die ihre Regierungshörigkeit seit etwa zehn Jahren abgestreift haben und nun auf Einhaltung der Verfassung pochen.»
Wie sonst könne eine gefürchtete Sekte wie Mungiki trotz offiziellen Verbots ungehindert in so genannten Rehabilitationszentren Nachwuchs rekrutieren oder gar eine Buslinie in Nairobi betreiben? Erst vor Wochen richteten Anhänger der 1987 gegründeten Sekte ein Blutbad in einem Slum von Nairobi an. Sie metzelten 20 «Andersgläubige» nieder, die kaum zufällig alle einem oppositionsnahen Stamm angehörten. Die Polizei sah zwei Tage lang zu, bevor sie eingriff. Immer wieder kann die Presse auch berichten, wie Mungiki-Führer ins Gefängnis kommen; doch schon nach Tagen sind sie wieder frei.
«Wir werden uns alle noch wundern, wie viel Macht diese Sekten bis zu den Wahlen bekommen werden, die spätestens für Dezember angesetzt sind», warnt der anglikanische Priester. «Die leicht zu steuernden Gruppen können von Machtpolitikern gut genutzt werden, um ethnische Konflikte während des Wahlkampfes anzuzetteln.» Die Sekten, meint der Priester, helfen der Regierung auch, die Leute zum Stillhalten zubringen, die auf Grund ihrer Misswirtschaft Hunger leiden. dpa pas xx hm/hi |