 |  | «Wilderer lassen sich nicht einfach verhaften»
Joe M. Kioko, Stellvertretender Direktor des Kenya Wildlife Service (KWS), über Fortschritte und Rückschläge im Kampf gegen Wilderer
VON PAUL IMHOF
SonntagsZeitung: Knapp acht Prozent von Kenyas Landfläche sind geschützt. Der Schutz scheint heute besser zu funktionieren als früher. Was ist geschehen?
Joe M. Kioko: Mitte und Ende der Achtzigerjahre hatte die alte Behörde Wildlife Conservation and Management grosse Probleme. Das war der Grund, warum Kenya Wildlife Service (KWS) gegründet wurde, eine Behörde, die nicht mehr einem Ministerium angegliedert ist, sondern eigenständig funktioniert. Eine autonome Organisation kann auch besser mit den ausländischen Geldgebern zusammenarbeiten.
Was waren die Probleme?
Kioko: Wilderei innerhalb und ausserhalb der geschützten Gebiete. Elefanten und Nashörner wurden fast ausgerottet. In den frühen Siebzigerjahren gab es in Kenya noch gut 20 000 Nashörner und 200 000 Elefanten. Ende der Achtzigerjahre hatten wir noch etwa 16 000 Elefanten, und die Nashornpopulation ist bis heute auf etwa 400 Tiere geschrumpft. Es war klar, dass beide Arten ohne massive finanzielle Hilfe aus dem Ausland komplett verschwinden würden.
Was haben Sie dagegen unternommen?
Kioko: Zuerst sandten wir einen Alarm an die internationale Gemeinschaft, den Elfenbeinhandel im Artenschutzabkommen Cites weltweit total zu unterbinden. Damals arbeitete ich im Tsavo-Park, dem grössten Nationalpark Kenyas, und wir verloren jeden Tag mindestens zehn Elefanten durch Wilderei. Die Nachfrage für Elfenbein sollte sinken, und tatsächlich wurde der Elfenbeinhandel komplett verboten. In den letzten zehn Jahren stellten wir einen zunehmenden, massiven Rückgang der Elefantenwilderei im ganzen Land fest. Aber wir brauchten grosse Unterstützung, Geld für Funkausrüstungen, Autos, Flugzeuge, Trainingsprogramme für unsere Wildhüter und auch Waffen.
Sind Ihnen die Wilderer überlegen?
Kioko: Nun, die Wilderer waren sehr, sehr gut ausgebildete Leute mit militärischem Hintergrund aus einem Nachbarstaat. Sie hatten hoch entwickelte, moderne automatische Waffen.
Sie selbst waren auch nicht unbewaffnet.
Kioko: Sicher, wir haben sie bekämpft. Sie haben auf uns geschossen, wir haben auf sie geschossen. Das sind nicht Wilderer, die sich einfach verhaften lassen. Das ist ein Guerillakrieg. Wenn sie dich sehen, schiessen sie. Wir schiessen zurück. So läuft es immer noch. Wir haben die Wilderei jetzt mehr oder weniger unter Kontrolle, aber es gibt auch Anzeichen neuer Wilderei. Wir sind nicht sicher weshalb, aber es bedeutet, dass es irgendwo einen Markt geben muss.
Welche Anzeichen?
Kioko: Seit Jahresbeginn haben wir sicher 40 Elefanten verloren. Südafrika ist der Verkauf von Elfenbein an Japan bewilligt worden. Wir wissen nicht, ob das einen Effekt auf die Wilderei bei uns hat, sicher ist bloss, dass sie wieder zugenommen hat.
Nur bei den Elefanten oder auch bei den Nashörnern?
Kioko: Alle unsere Nashörner leben in Schutzgebieten. Sie werden rund um die Uhr bewacht. Zumindest haben wir bis jetzt kein einziges Nashorn verloren. Aber wir haben natürlich keine Garantie.
Es heisst, dass Wildhüter in die Wilderei verwickelt sein sollen.
Kioko: In den Achtzigerjahren waren einige unserer Leute in Wilderei verwickelt, aber seit es den Kenya Wildlife Service gibt, ist das nicht mehr vorgekommen. Die Wilderer sind gut organisierte Gruppen, sie rücken mit 10 bis 15 Mann an, sie haben Träger, sie sind hervorragend ausgerüstet. Wir haben heute sehr gute, disziplinierte Ranger, die gut ausgebildet sind und auch gut bezahlt werden. Es gibt keinen Grund mehr, warum sie mit Wilderern zusammenarbeiten sollten.
Kenya Wildlife Service hat eine militärische Struktur. War das vorher auch so?
Kioko: Ja, aber nicht so diszipliniert wie heute. Die Moral war schlecht, weil die Ausrüstung mangelhaft war. Der Lohn war nicht gut. Heute gehören die Wildhüter zu den bestbezahlten Angestellten in Kenya.
Wie viel verdient ein Ranger?
Kioko: Im Monat durchschnittlich rund 10 000 Kenya-Schilling (rund 200 Franken). Das ist nach Ihren Massstäben nicht sehr viel, aber für Kenya schon.
Neben der Wilderei von Elfenbein und Rhino-Horn gibt es noch Fleischwilderei.
Kioko: Entlang den geschützten Gebieten, ja. Einerseits sind es Dorfbewohner, die Gnus, Wasserböcke und andere Herbivoren für den Eigengebrauch töten. Andererseits gibt es Leute, die aus kommerziellen Gründen töten und das Fleisch an Grossmetzgereien verkaufen. Das macht uns schon mehr Sorgen.
Ist die Jagd in Kenya total verboten?
Kioko: Die Sportjagd wurde in den Siebzigerjahren verboten. Daran hat sich nichts geändert. In den vergangenen zehn Jahren haben wir auf einer sehr experimentellen Basis - vor allem auf grossen Rinderranches, wo es viele Wildtiere gibt - erlaubt, einen Teil der Wildtiere zu nutzen. Aber keine bedrohten Arten. Sondern Zebras, Büffel, Strausse oder gewisse Antilopen. Die jagdbaren Tiere müssen gezählt werden, dann geben wir eine bestimmte Quote frei.
In Tansania ist Sportjagd erlaubt. Gibt es Bestrebungen, sie in Kenya zu erlauben?
Kioko: Es gab sicher einen gewissen Druck, die Sportjagd wieder zu erlauben. Aber im Moment lehnen wir das klar ab. Seit den Siebzigerjahren, als die Sportjagd noch erlaubt war, weiss ich, wie schnell so was ausser Kontrolle gerät. Das war der Beginn von Korruption und Wilderei, und aus diesen Gründen haben wir die Sportjagd auch verboten.
Ihr grösstes und schwierigstes Problem scheint das Bevölkerungswachstum und der Druck auf die Schutzgebiete zu sein.
Kioko: Sicher. Unsere Bevölkerung wächst sehr schnell. Die Leute drängen in unsere Gebiete. Wir versuchen, dass alle vom Wild profitieren können. Auf viele Arten. Es gibt Gebiete wie ausserhalb Masai-Mara, wo wir der lokalen Bevölkerung geholfen haben, ihre eigenen Wildschutzgebiete zu bestimmen. Sie erhalten Besucher, die Gebühren für Eintritt, Camping, Lodges bezahlen. Das funktioniert.
Die Leute sollen nicht von der Landwirtschaft, sondern vom Tourismus leben?
Kioko: Das bedeutet, dass man sein Geld nicht mit Feldern und Nutztieren verdient, sondern mit Wildlife. Wir haben auch im Gebiet des Amboseli-Parks den Leuten geholfen, ihren eigenen Wildpark zu organisieren. Wir haben ihnen zu Wasser verholfen und ein Verteilnetz für Medikamente aufgebaut. Wir zahlen ihnen Schulgelder. Wenn Sie heute im Ambolesi-Park campieren, schlagen Sie Ihr Zelt auf dem Land der Einheimischen auf. Sie verdienen daran ihr Geld, nicht wir vom KWS. Nun helfen sie uns, dass keine Elefanten mehr gewildert werden.
Und wenn es nicht funktioniert? Wenn Elefanten Felder zertrampeln?
Kioko: Dann stellen wir elektrische Zäune auf, um die Wildtiere fernzuhalten. Aber auch da ändert sich die Einstellung, auch wenn wir noch einen langen Weg gehen müssen. Das grösste Problem ist aber schon die demografische Entwicklung. Die Bevölkerung wächst derart rasant, da stehen uns noch heftige Konflikte bevor.
Auch die Nomaden fühlen sich in ihrem Freiraum immer stärker eingeschränkt.
Kioko: Die Nomaden haben mit den Wildtieren schon immer koexistiert. Auf dem Höhepunkt der Trockenzeit erlauben wir ihnen, in gewissen Gebieten unserer Parks ihre Herden zu tränken. Sie bringen ihre Herden, lassen sie trinken, und dann führen sie sie wieder aus den Parks. Kultivierung und das Erstellen von permanenten oder temporären Behausungen erlauben wir hingegen nicht.
Bei diesem Bevölkerungswachstum sind die Parks bald nur noch Inseln, die unter ständigem Nutzungsdruck stehen.
Kioko: Diese Möglichkeit besteht ganz sicher. Wir haben auch eine Einheit, die Problem Animal Control heisst. Diese Ranger kümmern sich um die Klagen der lokalen Bevölkerung, wenn Wildtiere ihre Felder oder Dörfer beschädigt haben. Die Ranger schauen dann, wie man die Wildtiere von den Siedlungen fernhalten kann. Schauen Sie Lake Nakuru: Dieser Park ist von grossen Farmen und Siedlungen eingeschlossen, er kann nicht mehr weiterwachsen. Wenn die Tiere den Park verlassen, gibt es Ärger. Deshalb ist er eingezäunt. Der nächste könnte der Nairobi National Park sein.
Was halten die Leute von Safari-Touristen?
Kioko: Solange die Leute von den Parks nicht profitieren konnten, hiess es immer: Uns wird ständig gesagt, wir dürfen diese geschützten Gebiete nicht benützen, aber diese fremden Leute dürfen hineingehen, und wir bekommen gar nichts. Wir entgegnen: Schaut, diese Fremden haben diese Tiere nicht bei sich zu Hause. Sie kommen, um sie zu sehen, zu fotografieren. Sie zahlen Geld dafür. Und jetzt teilen wir das Geld. Es ist nicht mehr so wie früher. Wenn die Leute einen Weissen sehen, wissen sie, am Abend hat er für seine Anwesenheit bezahlt.
Wie sehen Sie die weitere Entwicklung?
Kioko: Positiv. Viele junge Leute wissen, worum es beim Naturschutz geht. Das ist komplett anders als noch vor zwanzig Jahren. Die Schulen besuchen in Gruppen die Parks und lernen die Wildtiere kennen. Das gab es früher nie. Auf diese Jungen zähle ich. Das ist unsere Zukunft.
hallo michael
leider kann ich dir auch keine schlüssige antwort darauf geben. nach meinem empfinden kann nur ein definitives umdenken der weltbevölkerung etwas in bewegung setzen. aber solange es immer noch europäer und amerikaner gibt die sich elfenbein ins wohnzimmer stellen wollen und japaner und chinesen an die potenzsteigernde wirkung des nashorn-horn's glauben. wird es immer wieder afrikaner geben die für (klein)geld bereit sind die wunderschönen tiere zu töten auch wenn sie wissen das sie damit ihre längerfristige zukunft aufs spiel setzen. gruss iris
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